Ort: Morretes
Zeit: 07.12. 18:30 Uhr
Wetter: ca. 25° C, Regen
Und heute gings dann endlich mit der Eisenbahn nach Morretes. Eigentlich wollte ich ja bis Paranagua, aber bis Paranagua fährt die Bahn nur am Sonntag. Ich bin also wieder mal zur falschen Zeit am falschen Ort ;). Aber ist nicht schlimm, dachte ich, denn in meinem Reiseführer wird Morretes blumenreich beschrieben “Morretes, gegründet 1721, ist eine der schönsten Kolonialstädte im Süden Brasiliens. Weißgewasche Kolonialgebäude mit bunten Fensterrahmen überspannen den kieseligen Fluss und die Kirchturmspitzen ragen aus einem Meer von rot gedeckten Dächern und einer Kulisse aus bewaldeten Hügeln hervor.” Fein, klingt wie ein 2. Paraty, hin da.
Also heut morgen in aller Früh (um 8 ging der Zug, um 6:30 Uhr aufstehen, bäh, ich bin doch im Urlaub) zum Bahnhof. Ich hab die Economy-Klasse gewählt, kostet 39 Real, etwa 17 Euro, dennn die Touristenklasse oder gar Luxusklasse (270 Real, 120 Euro) ist nix für das Backpackerbudget. Und wenn man den Zug so betrachtet weiß man auch nicht wofür soviel Geld ausgeben. Ok, die Sitze sind etwas bequemer und man bekommt einen Snack, aber rechtfertigt keinesfalls den Preis. Ich also Holz-bzw. Plastikklasse. In meinem Wagon sitzen noch etwa 10 andere Fahrgäste, somit herrscht quasi freie Platzwahl (eigentlich bucht man immer einen festen Sitzplatz, auch in den Bussen), fein. Die Anzahl der Fahrgäste sagt schon alles: es ist ein Touristenzug, in Brasilien fährt man eben Bus, bzw. in ganz Südamerika, die wenigen Bahnstrecken sind ein Überbleibsel der europäischen Einwanderer, hat sich aber nie wirklich durchgesetzt. Die Bahnstrecke Curitiba – Paranagua wurde im 19. Jahrhundert gebaut. Um 8:15 Uhr tuckern wir unter lautem Getöse los.
Die Fahrt wird überall in den höchsten Tönen gelobt, ich zitiere aus meinem Reiseführer (übrigens dem Footprint, ich muss also den Übersetzer spielen): “Die Eisenbahnfahrt ist die spektakulärste in Brasilien [ich glaub, es gibt auch keine 2. *hust*]. Es gibt 13 Tunnel und unerwartete Aussichten auf tiefe Schluchten und hohe Berge. Und Wasserfälle wo die Bahn über schwindelerregende Brücken und Viadukte rumpelt. …”. Meine Erwartungen sind also hoch. Ich weiß nicht ob es an meiner akuten Müdikeit liegt (ich hab ein paar viel zu kurze Nächte hinter mir) oder weil ich schon so viel gesehen hab, aber so richtig schockt mich die Strecke nicht. Sie ist verdammt grün, wir fahren fast die ganze Zeit durch einen Wald, aber die Vegetation kenn ich ja schon und ist in dem Fall auch nicht so spektkulär, harmlose Sträucher ;). Natürlich hat man einen tollen Ausblick auf die Serra do Mar und es geht auch 2 Mal recht steil nach unten, aber eben nur zwei Mal, den Rest der Zeit tuckern wir im Schneckentempo durch den Wald. Bei jedem Bahnübergang wir wieder gehupt was das Zeug hält (kommt zum Glück nicht oft vor) und ansonsten erklärt die Reisebegleiterin (ja, sowas hatten wir tatsächlich auch in unserer Holzklasse ;), wenn auch nur in Landessprache) im Marktschreistil was wir da links und rechts sehen. Selbst eine Pizzaria musste da nicht unerwähnt bleiben. Ich hab mich also selten so gelangweilt ;). Nein, war schon ganz nett und eine schöne Abwechslung zum Bus, aber für mich kein Must See in Brasilien.
Um die Mittagszeit sind wir dann auch in Morretes angekommen. Morretes ist so klein und unbedeutend (aber immerhin größer als ein Dorf), dass es hier nicht mal ein Hostel gibt. So habe ich im Vorfeld wie wild nach einer günstigen Pousada gesucht. Das war gar nicht so einfach, denn die meisten kosten über 100 Real. Selbst das günstigste Hotel war nicht unter 100 Real zu bekommen. Ich hatte zwar schnell eine Pousada für 35 Real pro Nacht gefunden, aber die liegt 7 km weit außerhalb, was einige Busfahrten bedeutet, darauf hatte ich keine Lust. Kostet Zeit, Geld und Nerven (schließlich muss man sich wieder in ein neues Bussystem einfinden). Dann habe ich aber doch noch eine gefunden, Google Maps sei Dank. Es war mit 29 Real (etwa 13 Euro) die günstigste im Ort (aber dennoch eine der teuersten Unterkünfte in Brasilien bisher und das in einem so unbedeutenden Ort) und auch die nächste zum Bahnof, perfekt.
Dort angekommen stand ich vor verschlossenen Türen. Ein Schild verwies mich zwar aufs Nachbarhaus zur linken Seite, aber da hörte ebenfalls niemand und der Hund guckte mich schon ganz komisch an. Also lief ich zur Nachbarin gegenüber und fragte ob sie wüsste wann da mal wer kommt. Diese verwies mich auf das Haus zur rechten und langsam war ich genervt, denn es war verdammt warm. Was mich etwas überraschte, denn in Curitiba war es deutlich kühler, nur etwa 20 Grad und nachts sogar sehr kühl. Ich habe tatsächlich zum ersten Mal auf meiner Reise gefroren. Nachts musste ich lange Sachen tragen und brauchte eine Wolldecke, sonst schwitzte ich nachts sogar mit dem dünnen Laken ;). Zum Glück war meine Odyssee dann beendet, denn die Frau zur rechten konnte mir weiterhelfen. Sie rief die Besitzerin an, holte die Schlüssel aus dem linken Haus und zeigte mir das Zimmer. Zuerst ein Mehrbettzimmer mit Stockbetten und dann eines mit 2 freistehenden normalen Betten. Ich durfte wählen und fragte ungläubig ob dieses auch 29 Real kostet. Sie bejahte dies und 2 Mal dürft ihr raten für welches ich mich entschieden habe. Yeah, wieder eine bequeme Matratze, da bezahl ich auch gern mal ein paar Real mehr :).
In der Pousada war sonst kein weiterer Gast und die Frau musste sogar erstmal sauber machen. War wohl auch schon länger keiner mehr dort abgestiegen ;). Ich befinde mich auch wieder soweit fernab vom “Gringotrail”, dass kein Mensch Englisch spricht. Die normale Backpackerstrecke (falls man davon in Brasilien überhaupt sprechen kann, denn so viele gibts hier gar nicht) geht nämlich direkt von Sao Paulo mit dem Nachtbus nach Florianopolis. Da möcht ich auch noch hin, aber ein wenig Zeit hab ich noch für ein paar Zwischenstopps. Und mit meinen paar Brocken Portugiesisch und dem Rest auf Spanisch kann ich mich auch irgendwie verständlich machen bzw. meine Mitmenschen verstehen. Zumindest das wichtigste ;).
Nachdem die Tagestouristen wieder zurück nach Curitiba gefahren sind (ich habe niemandem im Zug mit Reisetasche oder Rucksack gesehn …) begebe ich mich auf Stadtbesichtigung. Es gibt ein historisches Zentrum, aber so malerisch wie es beschrieben wurde, ist es nun auch wieder nicht. Ok, es ist hübscher als die meisten Städte, die ich gesehn hatte, aber Paraty hat mir deutlich besser gefallen. Und wirkte auch nicht so ausgestorben wie Morretes. Es hatten schon alle Restaurants geschlossen, was wieder beweist, dass die meisten Touristen nur kurz zum Gucken kommen und ich die absolute Ausnahme bin. Es gibt ansonsten auch nur genau einen Imbiss, wo ich etwas zu futtern bekomme. Nahrhaft und günstig, aber keine kulinarische Meisterleistung ;). Heute hätte ich sogar mal Lust gehabt, etwas zu kochen, aber genau heute hab ich eben kein Hostel. In Hostels gibts Küchen zur Mitbenutzung (was häufig auch genutzt wird, nur eben von mir bisher nicht ;)), in Pousadas nicht. So hab ich nach 2 h auch wirklich alles gesehn, inkl. Supermarktbesuch, Essen, Busbahnhof (Zeiten für die nächste Busfahrt checken) und allen Straßen, die es in Morretes so gibt. Morretes ist also wirklich klein. Und der perfekte Ort um einmal auszuspannen, diesen Blog zu schreiben (wenn auch offline, da kein Internet), Fotos zu bearbeiten und sich mal ordentlich auszuschlafen. Eigentlich müsste ich noch einen Tag länger bleiben, aber so viel Zeit hab ich dann doch nicht. Weihnachten möchte ich in Buenos Aires sein :).
Zu den Fotos.
Danke für den realistischen Bericht, der auch hilft, manche Überbewertung zu realisieren! Ich möchte hier nur noch auf einen wichtigen Fehler hinweisen! Die Eisenbahn wurde frühestens 1880, also im 19.Jh. gebaut! Im 17.Jh, wie beschrieben gab es nur Postkutschen, also, zur Glaubwürdigkeit des Ganzen, mal schnell ändern. Liebe Grüße
danke für den hinweis, udo! ich kann nach 2 jahren jetzt nicht mehr nachvollziehen, wo ich die zahl herhabe, aber vermutlich verwechselt oder vertippt. lg